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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 11.09.2002
Aktenzeichen: 4 U 227/2001
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB
Vorschriften:
BGB § 196 Abs. 1 Nr. 1 | |
BGB § 196 Abs. 2 | |
BGB § 198 | |
BGB § 201 | |
BGB § 767 Abs. 1 S. 1 | |
BGB § 768 Abs. 1 S. 1 | |
BGB § 768 Abs. 2 | |
EGBGB Art. 229 § 6 |
Das Sicherungsbedürfnis des Gläubigers und die Risikoverteilung zwischen diesem und dem Bürgen erfordert es aber nicht, zugleich eine der gesicherten Verbindlichkeit "anhaftende" kurze Verjährung mit dieser untergehen zu lassen und den Sicherungsgeber auf die 30-jährige Verjährungsfrist der isolierten Bürgschaftsschuld zu beschränken.
Oberlandesgericht Stuttgart - 4. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil
Geschäftsnummer: 4 U 227/2001
in Sachen
Verkündet am: 11. September 2002
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart im schriftlichen Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzrecht bis zum 04. September 2002 unter Mitwirkung
der Vors. Richterin am OLG Dr. Sulzberger-Schmitt, des Richters am OLG Dr. Herdrich sowie der Richterin am LG Tschersich
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 24. Oktober 2001 - Az.: 19 O 246/2000 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 6.200,-- € abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 31.188,80 € (= 61.000,-- DM).
Die Klägerin nimmt den Beklagten im Wege der Teilklage aus einer Bürgschaft in Anspruch.
Die Klägerin, die früher unter "M" GmbH firmierte, hat die Firma E, mit medizinischen Geräten zum Weitervertrieb beliefert.
Die Klägerin hat vorgetragen, der Beklagte habe am 14. November 1989 eine Bürgschaft übernommen unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage, der Anfechtbarkeit und der Aufrechenbarkeit für sämtliche gegenwärtigen oder zukünftigen, gedingten oder unbedingten Forderungen, die der Klägerin gegen die Fa. E zustehen, (wegen der Einzelheiten wird auf die von der Klägerin vorgelegte Bürgschaftsurkunde, Anl. K 1, Bl. 4 ff., verwiesen). Der Beklagte sei Gesellschafter und Geschäftsführer der Hauptschuldnerin gewesen. Aufgrund einer Warenlieferung, die am 23. April 1988 in Rechnung gestellt worden sei, stünde ihr gegen die Fa. E eine Forderung von DM 70.810,-- zu.
Wegen dieser Forderung nimmt die Klägerin den Beklagten aus der Bürgschaft in Höhe eines Teilbetrages von DM 61.000,-- in Anspruch.
Die Klägerin hat beantragt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 61.000,-- nebst 8,5 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt.
Der Beklagte war der Auffassung, dass die Klage bereits unzulässig sei, da über denselben Streitgegenstand bereits der französische Kassationshof rechtskräftig entschieden habe. Außerdem sei die Hauptforderung nicht schlüssig dargelegt, weswegen er sie mit Nichtwissen bestreite.
Das Landgericht wies die Klage ab mit der Begründung, dass sie zwar zulässig -die Entscheidung des französischen Kassationshofes vom 10. Dezember 1998 betreffe einen anderen Streitgegenstand -, aber mangels schlüssigen Vertrags zur Hauptforderung nicht begründet sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien und der Begründung der angefochtenen Entscheidung wird auf diese Bezug genommen.
Gegen das Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt und diese form- und fristgerecht begründet.
Die Klägerin vertritt die Meinung, das Landgericht habe die Anforderungen an einen schlüssigen Vortrag überspannt und nicht beachtet, dass der Beklagte den Bestand der Warenlieferungsforderung nicht wirksam bestritten habe, denn seine Erklärung mit Nichtwissen sei im Hinblick auf die Gesellschaftereigenschaft und Geschäftsführertätigkeit des Beklagten gem. § 138 Abs. 4 ZPO unzulässig. Im Übrigen spezifiziert die Klägerin die Warenlieferung dahingehend, dass diese am 24. März 1988 erfolgt sei und 146 Stück Reizstromgeräte zum Stückpreis von DM 485,-- mit der Waren-Nr. und einem Nettogewicht von 657 kg gemäß Lieferschein-Nr.: umfasst habe.
Die Klägerin beantragt:
Unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin DM 61.000,-- (= 31.188,80 €) nebst 8,5 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt:
Die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für richtig.
Erstmals im Berufungsverfahren erhebt er die Einrede der Verjährung der Hauptforderung, weil diese bereits im Jahr 1988 entstanden sein soll. Verjährung sei deshalb am 31. Dezember 1992 eingetreten.
Die Klägerin erwidert auf die Verjährungseinrede, dass durch den am 11. Mai 1992 erfolgten Schuldbeitritt der Fa. N die Verjährung nach französischem Recht, das hier zur Anwendung komme, unterbrochen worden sei. Nachdem in Frankreich Handelsforderungen in 10 Jahren verjähren wie auch in Luxemburg, dem Sitz der Hauptschuldnerin, sei die Klageerhebung im September 2000 in unverjährter Zeit erfolgt. Abgesehen davon handele es sich bei der Verjährungseinrede um ein verspätet vorgebrachtes Angriffs- und Verteidigungsmittel. Außerdem sei die Fa. E bereits im Jahr 1992 in Insolvenz geraten.
Hinsichtlich des weiteren Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg, weil die geltend gemachte Forderung vor Klageerhebung bereits verjährt war.
1.
Der Zulassung der Verjährungseinrede steht § 528 ZPO a.F. i.V.m. § 26 Nr. 5 EGZPO nicht entgegen.
§ 528 Abs. 1 ZPO kommt nicht zur Anwendung. Zwar wurde dem Beklagten in der ersten Instanz eine Klageerwiderungsfrist gesetzt (Bl. 24), innerhalb der die Verjährungseinrede nicht erhoben wurde. Dies war aber auch nicht angebracht, da der Rechtsstreit in diesem Stadium von der Klägerin im Urkundenprozess geführt wurde und der Beklagte mit dieser Einrede ohnehin auf das Nachverfahren beschränkt gewesen wäre (§§ 598, 595, 592 ZPO sowie §§ 599, 600 ZPO).
Im ersten Verhandlungstermin vor dem Landgericht am 27. März 2001 (Bl. 33/34) nahm zwar die Klägerin vom Urkundenprozess Abstand, es erfolgte aber keine erneute Fristsetzung für den Beklagten, sondern nur gegenüber der Klägerin (Bl. 37 sowie Bl. 53/59, zweiter Verhandlungstermin vom 05. September 2001).
Auch eine Zurückweisung nach § 528 Abs. 2 ZPO kommt nicht in Betracht. Die Voraussetzungen dieser Norm sind nicht erfüllt. Zum einen führt eine Zulassung der in der 2. Instanz innerhalb der Berufungserwiderungsfrist erhobenen Verjährungseinrede im jetzigen Verfahrensstand nicht zu einer Verzögerung des Rechtsstreits (vgl. nachfolgende Ausführungen unter Ziff. 2), zum anderen wurde die Erhebung der Einrede vor dem Landgericht nicht aus grober Nachlässigkeit unterlassen. Denn während des gesamten Verfahrens hat das Erstgericht zum Ausdruck gebracht, dass es den Vortrag der Klägerin zur Hauptschuld nicht für hinreichend substantiiert hält. Damit bestand für den Beklagten keine Veranlassung, sich auf Verjährung zu berufen, da ohnehin mit einer Klagabweisung zu rechnen war.
Gegen die Zulassung dieses Verteidigungsmittels bestehen deshalb keine Bedenken.
2.
Der Durchsetzung der Klagforderung steht die vom Beklagten erhobene Verjährungseinrede entgegen.
Der Bürge kann die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen gem. § 768 BGB.
Hierzu zählt auch die Einrede der Verjährung der der Bürgschaft zugrunde liegenden akzessorischen Hauptforderung (Kaufpreisforderung) der Klägerin gegen die Fa. E.
Diese entstand spätestens durch die Warenlieferung und Abrechnung am 24. März/23. April 1988.
Es gilt insoweit deutsches Recht, denn bezüglich dieser Kaufpreisforderung hatten die Vertragspartner keine Rechtswahl gem. Art. 27 EGBGB getroffen und nach Art. 28 Abs. 2 EGBGB wurde die vertragscharakteristische Leistung, d.h. die Lieferung der Waren, von dem deutschen Betriebssitz der Klägerin aus geleistet.
Da es sich um eine Kaufpreisforderung für den Gewerbebetrieb der Hauptschuldnerin handelte und sie spätestens im April 1988 entstanden war, lief die gem. § 196 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB geltende 4-jährige Verjährungsfrist vom 31. Dezember 1988 bis zum 31. Dezember 1992 (§§ 198, 201 BGB, Art. 229 § 6 EGBGB).
Unabhängig von der Frage, ob allein in der Schuldbeitrittserklärung der Fa. N vom 11. Mai 1992 zu der Hauptschuld ein die Verjährung unterbrechendes Anerkenntnis gem. § 208 BGB gesehen werden kann, hätte ein solches keine Gesamtwirkung gem. §§ 425, 421 BGB, weshalb keine Unterbrechung der Verjährung der Hauptforderung eingetreten wäre. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist auch eine etwaige Verjährungsunterbrechung bezüglich der gesicherten Kaufpreisforderung nicht nach französischem Recht zu beurteilen, sondern nach deutschem Recht, Art. 27, 28 Abs. 2 EGBGB, selbst wenn der Schuldbeitritt französischem Recht unterliegt.
Das Recht zur Erhebung der Verjährungseinrede wurde im Bürgschaftsvertrag nicht ausgeschlossen.
Die Berufung des Bürgen (Beklagten) auf die Verjährung der Hauptforderung widerspricht dem Sicherungszweck der Bürgschaft im Fall der Insolvenz des Hauptschuldners nicht, auch wenn sie gerade den Gläubiger vor dessen Zahlungsunfähigkeit/-unwilligkeit sichern soll (vgl. BGHZ 82, 326 für den Fall des Erlöschens einer GmbH & Co. KG als Hauptschuldnerin). Dass die Akztessorietät des verbürgten Anspruchs hinter dem Sicherungszweck der Bürgschaft zurücktritt, ist anerkannt im Falle des Erlöschens von Personenhandelsgesellschaften und juristischen Personen als Hauptschuldnern (Staudinger, § 767, Rn. 48 ff; BGHZ 82, 323, 326).
War vorliegend die Fa. E (Hauptschuldnerin) im Jahr 1992 in Vermögensverfall geraten, also zu einer Zeit, als die Verjährung der Hauptschuld noch nicht eingetreten war (31. Dezember 1992) entfiel nach herrschender Meinung und Rechtsprechung zwar die Hauptschuld, aber infolge des Sicherungszwecks der Bürgschaft bestand die Bürgschaftsschuld isoliert fort, sofern es sich bei der Fa. E um eine Personenhandelsgesellschaft oder juristische Person handelte und für den Insolvenzfall die deutsche Konkursordnung zur Anwendung kam. Handelte es sich bei der Fa. E dagegen um eine Einzelhandelfirma, dann hätte ein abgeschlossener Konkurs nach deutschem Recht grundsätzlich nicht zur Schuldbefreiung des Schuldners (§ 164 KonkO) geführt. Insbesondere könnten Gläubiger, die am Konkurs nicht beteiligt gewesen waren, weil sie ihre Forderungen nicht zur Tabelle angemeldet hatten - wie die Klägerin im Konkurs/Insolvenz der Fa. E, ihre Ansprüche nach Aufhebung des Konkurses gegenüber dem Schuldner unbeschränkt geltend machen. In einem solchen Fall kann nicht von einem Erlöschen des gesicherten Anspruchs bei Vermögensverfall des Hauptschuldners gesprochen werden. Nachdem die Insolvenz der Fa. E in Luxemburg abgewickelt wurde, kommt nach internationalem Konkursrecht im Hinblick auf das herrschende Universalitätsprinzip (vgl. Hilger, InsolvenzG, 17. Aufl., § 237 KO 2d) die Rechtsordnung desjenigen Landes zur Anwendung, in dem das Insolvenzverfahren angeordnet wurde (vgl. auch BGHZ 122, 373). Ob jedoch nach luxemburgischem Recht eine Schuldbefreiung des Gemeinschuldners bei Abschluss des Insolvenzverfahrens eintritt und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen, ist ungeklärt.
Diese Fragen, welche Rechtsform die Hauptschuldnerin hatte, und ob die durch die Bürgschaft gesicherte Kaufpreisforderung im Hinblick auf einen Vermögensverfall der Fa. E nach luxemburgischen Recht noch fortbesteht oder erloschen ist, können dahinstehen, weil nach Auffassung des Senats in jedem Fall die kurze 4-jährige Verjährungsfrist der Hauptschuld eingreift und nicht die 30-jährige des Bürgschaftsanspruches wegen des Erlöschens der gesicherten Forderung.
Der BGH hat zu dieser Problematik noch keine eindeutige, endgültige Stellungnahme bezogen.
In seiner Entscheidung vom 19. September 1985 hat der 9. Zivilsenat (BGHZ 95, 375-392) lediglich folgendes ausgeführt:
"Der Konkurs über das Vermögen des Hauptschuldners führt nicht dazu, dass die Bürgschaftsschuld ihre Abhängigkeit von der Hauptschuld verliert und daher auch unabhängig von deren Verjährung zu erfüllen ist. Die Akzessorietät der Bürgschaftsverpflichtung tritt nur dann zurück, wenn die Hauptschuld aus Gründen untergeht, in ihrem Bestand verringert oder einredebehaftet wird, die auf den Vermögensverfall des Hauptschuldners zurückzuführen sind - ein Ergebnis, gegen das die Bürgschaft gerade Schutz gewähren sollte. Die Verjährung der Gewährleistungsschuld trat aber unabhängig von dem Konkursverfahren ein und nicht, weil die Auftragnehmerin zahlungsunfähig war. Wie dargestellt, war eine Unterbrechung gem. §§ 208 ff. BGB oder gem. § 13 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B trotz des Konkursverfahrens weiterhin möglich".
Die Verjährung der Hauptschuld trat hier wohl während des Konkursverfahrens ein. Den Ausführungen des BGH dürfte aber zu entnehmen sein, dass die Akzessorietät der Bürgschaftsverpflichtung wegen ihres Sicherungscharakters nur zurücktritt in Bezug auf einen Vermögensverfall des Hauptschuldners, nicht aber hinsichtlich der der Hauptschuld anhaftenden Einreden wie die der Verjährung. Dies müsste dann unabhängig davon gelten, ob die Verjährung schon eingetreten war vor dem Untergang der Hauptschuld infolge des Vermögensverfalls oder erst danach eingetreten wäre, wenn die verbürgte Forderung dann noch bestanden hätte.
In einer neueren Entscheidung vom 09. Juli 1998 führt der 9. Zivilsenat (BGH NJW 1998, 2972-2975) jedoch aus:
"Ob sich der Bürge auf eine Verjährung der Hauptschuld auch dann mit Erfolg berufen kann, wenn eine juristische Person als Hauptschuldnerin vor Ablauf der Verjährungsfrist vermögenslos geworden, im Handelsregister gelöscht und deshalb nicht mehr parteifähig ist, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung".
Diesem Urteil muss allerdings entnommen werden, dass sich der BGH in der zuvor zitierten Entscheidung aus dem Jahr 1985 bezüglich dieser speziellen Verjährungsfrage gerade noch nicht in der einen oder anderen Richtung festlegen wollte.
Die neueste diesbezügliche Entscheidung des 9. Zivilsenats vom 06. Juni 2000 (BGH NJW-RR 2000, 1717-1718) enthält folgende Passage:
"Wie der BGH mehrfach entschieden hat, kann sich der Bürge auch dann auf die Verjährung der verbürgten Forderung berufen, wenn sie während des gegen ihn geführten Rechtsstreits oder sogar erst nach seiner rechtskräftigen Verurteilung eintritt. Daran ändert auch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Hauptschuldners nichts (vgl. BGHZ 95, 375, 384 f.)".
(Das zitierte Urteil ist das als erstes Erörterte aus dem Jahr 1985).
Dieser neuesten Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2000 dürfte - unabhängig von der aus dem Jahr 1998 - wiederum zu entnehmen sein, dass dem Bürgen die Verjährungseinrede gegenüber dem gesicherten Anspruch auch im Falle der Insolvenz des Hauptschuldners nicht genommen werden soll, und zwar unabhängig davon, ob die Verjährung vor Insolvenzeröffnung, während des Insolvenzverfahrens oder nach der endgültigen Löschung der Gesellschaft eingetreten ist.
Eine andere Auffassung vertritt das Kammergericht in einem Urteil vom 13. Juli 1998 (KG NJW-RR 1999, 1206-1208 mit Stellungnahme von Karsten Schmidt in JuS 2000, 295). Der Leitsatz der Entscheidung besagt:
"Fällt mit der Durchführung des Konkurses und Löschung einer GmbH wegen Vermögenslosigkeit die gegen sie bestehende Hauptschuld mangels Fortbestandes des Schuldners weg, so verselbständigt sich die dafür begründete Bürgschaftsforderung mit der Folge, dass die Einrede der Verjährung der Hauptschuld durch den Bürgen nicht mehr erhoben werden kann, soweit sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht begründet war".
Das Kammergericht argumentiert damit, dass der Bürge auch Änderungen der Hauptverbindlichkeit, die sich aus Verschulden oder Verzug des Hauptschuldners ergeben, gegen sich gelten lassen muss (§ 767 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die hierin hervortretende gesetzliche Wertung erlaube es, dem Bürgen auch das Risiko zuzuweisen, dass die Hauptschuld infolge ihres Wegfalls ihre Verjährbarkeit verliert. Dieser Auffassung stehe § 768 Abs. 2 BGB nicht entgegen, weil der Verlust der Verjährbarkeit der Hauptschuld als notwendige Folge ihres Wegfalls dem Einredeverzicht nicht vergleichbar sei. Unter Berücksichtigung der Risikoverteilung zwischen Gläubiger und Bürgen greife nicht die Argumentation durch, dass der Wegfall der Hauptschuld die Rechtsstellung des Bürgen zwar nicht (durch Befreiung von der Verbindlichkeit) verbessern, jedoch auch nicht (durch den Verlust der Verjährbarkeit der Hauptschuld) verschlechtern soll. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Bürgen, die Hauptschuld werde verjähren und deshalb gem. § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB einredeberechtigt sein, sei zu keinem Zeitpunkt anzuerkennen.
Diese Argumentation überzeugt nicht.
Die Haftung des Bürgen für einen infolge Verschuldens oder Verzugs des Hauptschuldners aus der ursprünglichen Hauptverpflichtung entstandenen Schadensersatzanspruch deckt sich mit der Akzessorietät der Bürgschaftsschuld, für die eben gerade der jeweilige Bestand der Hauptverbindlichkeit maßgebend ist (§ 767 Abs. 1 Satz 1 BGB). Diese Abhängigkeit findet ihren Niederschlag ebenso in § 768 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB, wonach dem Bürgen auch die Einreden des Hauptschuldners zustehen und er sie nicht verliert durch dessen Verzicht auf sie. So kommt die Rechtsprechung folgerichtig zu dem Ergebnis, dass sich der Bürge auf die Verjährung der Hauptforderung ebenfalls berufen kann, wenn aufgrund eines gegen den Hauptschuldner ergehenden rechtskräftigen Urteils gegen diese eine neue 30-jährige Verjährungsfrist in Lauf gesetzt (BGHZ 76, 222-231) oder wenn die Frist durch ein Anerkenntnis des Schuldners unterbrochen wird, da solche Umstände nicht zu Lasten des Bürgen gehen dürfen (OLG Düsseldorf, MDR 1975, 1019). Aus dieser Rechtsprechung, insbesondere aus BGHZ 76, 222 ff. muss gefolgert werden, dass eine Verlängerung der Verjährungsfrist in Bezug auf den Hauptschuldner sich gerade nicht zum Nachteil des Bürgen auswirken soll (Gedanke des § 768 Abs. 2 BGB). Es ist nicht einsichtig, warum im Falle des Untergangs des verbürgten Anspruchs infolge eines Vermögensverfalls des Hauptschuldners der Wegfall der Verjährung - anders als deren Verlängerung - nunmehr den Bürgen benachteiligen soll. Eine solche Schlechterstellung ist vom Gesetzgeber nicht gewollt und auch nicht mit dem Sicherungszweck der Bürgschaft begründbar. Dieser wird allein dadurch gewahrt, dass bei Vermögensverfall die Akzessorietät den Fortbestand der Bürgschaftsschuld trotz Erlöschens der gesicherten Forderung nicht hindert. Auch wenn in diesem Fall von einer isoliert weiter bestehenden Bürgschaftsschuld ausgegangen wird und nicht von der Fiktion des Fortbestehens der Hauptschuld, kann eine weitergehende Belastung des Bürgen, indem er zusätzlich der der Hauptverbindlichkeit ursprünglich "anhaftenden" Einreden beraubt wird, der Risikoverteilung zwischen Gläubiger und Bürgen gerade nicht entnommen werden.
Auch das Argument, dass verjährungsunterbrechende Handlungen bezüglich des verbürgten Anspruchs nur gegenüber dem Hauptschuldner vorgenommen werden können, nicht aber rechtswirksam gegenüber dem Bürgen - was beim Erlöschen der Hauptschuld wegen Vermögensverfalls nicht mehr möglich wäre - zieht nicht, denn ab dem Untergang der gesicherten Forderung können und müssen solche Unterbrechungshandlungen nunmehr rechtsgültig gegenüber dem Bürgen durchgeführt werden, da er als alleiniger Schuldner, der auch die Verjährungseinrede erheben kann, übrig bleibt.
Ebenso überzeugt nicht die Auffassung, der Bürge genieße kein schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Dauer der für die Hauptpflicht geltenden Verjährungsfrist. Für ihn ist es von Bedeutung, ob der zu sichernde Anspruch und damit seine potentielle Haftung für diesen bereits in 4 Jahren verjährt oder erst in 30 Jahren. (Während er von Anfang damit rechnen musste, dass er bei Zahlungsunfähigkeit/-unwilligkeit des Schuldners aus dem Sicherungszweck der Bürgschaft heraus in Anspruch genommen wird, wodurch sich hier - aber auch nur hier - die Durchbrechung des Akzessorietätsprinzips rechtfertigt). Dagegen besteht unter keinem rechtlichen oder sonstigen Gesichtspunkt die Notwendigkeit, infolge des Vermögensverfalls des Hauptschuldners zu Lasten des Bürgen nun nicht mehr eine 4-jährige, sondern eine 30-jährige Verjährungsfrist anzunehmen und - um Ungerechtigkeiten zu vermeiden - ihn auf das unsichere Rechtsinstitut der Verwirkung zu verweisen. Eine solche Besserstellung des Gläubigers und Schlechterstellung des Bürgen kann keinesfalls aus dem Sicherungscharakter der Bürgschaft hergeleitet werden.
Im Hinblick auf diese Erwägungen erscheint die rein formal-juristische Argumentation, dass eine nicht mehr existente Hauptschuld auch nicht mehr verjähren kann, so dass die 30-jährige Verjährungsfrist des Bürgschaftsanspruchs eingreift, nicht sachgerecht und führt zu unbilligen Ergebnissen. Letztlich könnte bezüglich der Einreden auch von der Fiktion des Fortbestandes der Hauptforderung ausgegangen werden, unabhängig von ihrem Untergang bei Vermögensverfall des Hauptschuldners.
Damit kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass - gleichgültig, ob die streitgegenständliche verbürgte Kaufpreisforderung noch besteht oder nicht, und was aus der Hauptschuldnerin geworden ist - die kurze 4-jährige Verjährungsfrist gegeben ist, die bereits am 31. Dezember 1992 abgelaufen war.
Der Beklagte kann deshalb mit Erfolg die Verjährungseinrede gegenüber der Klagforderung erheben.
Hieran ändert sich auch nichts durch den Schuldbeitritt der Fa. N, P vom 11. Mai 1992 zur Hauptschuld, die (nach französischem Recht) erst 1994 in die Insolvenz fiel bzw. gelöscht wurde. Denn der Sicherungszweck der streitgegenständlichen Bürgschaft erfasste nicht auch den Schuldbeitritt der Fa. N. Eine solche Ausdehnung der Haftung des Bürgen ohne seine Zustimmung auch auf den Fall der Zahlungsunfähigkeit bzw. -unwilligkeit eines erst nach Abschluss des Bürgschaftsvertrages der Hauptschuld beigetretenen weiteren Gesamtschuldners verbietet sich nach § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB. Der gleiche Rechtsgedanke kommt ebenso in § 418 Abs. 1 BGB zum Ausdruck, wonach im Fall der befreienden Schuldübernahme Sicherungsrechte wie z.B. die Bürgschaft erlöschen.
Damit ist die weitere Forderung der Klägerin gegen die Fa. N als neue zusätzliche (Gesamt-)Schuldnerin neben der Hauptschuldnerin kein zur Bürgschaft des Beklagten akzessorischer Anspruch mit der Folge, dass der Schuldbeitritt vom 11. Mai 1992 nicht die Erhebbarkeit der Einrede der Verjährung gegenüber der Klagforderung durch den Beklagten beeinflusst.
Demgemäß war die Kaufpreisforderung der Klägerin bereits am 31. Dezember 1992 verjährt (§§ 196 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 198, 201 BGB, Art. 229 § 6 EGBGB). Die am 5. September 2000 bei Gericht eingereichte Klage (§ 270 Abs. 3 ZPO a.F.) wirkt deshalb nicht verjährungsfristunterbrechend.
Die Berufung konnte somit im Hinblick auf die vom Beklagten erhobene Verjährungseinrede keine Aussicht auf Erfolg haben.
3.
Auf die weiteren Streitpunkte der Parteien, ob ein wirksamer Bürgschaftsvertrag zustande kam, ob die Klagforderung hinreichend substantiiert und das Bestreiten des Beklagten mit Nichtwissen zulässig sind und ob die Hauptschuldnerin zum Zeitpunkt des Entstehens der Kaufpreisforderung überhaupt existent war, kommt es zur Entscheidung des Rechtsstreits nicht mehr an.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
5.
Die Revision wird zugelassen (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO).
Ende der Entscheidung
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